Pressemitteilung

Aktionsbündins Angeborene Herzfehler Logo

Zum Tag des herzkranken Kindes (5. Mai)

Aktionsbündnis Angeborene Herzfehler (ABAHF) appelliert an Bundesregierung Maßnahmen zur Verbesserung zu ergreifen / Kinderherzzentren müssen wegen Pflegekräftemangels im Schnitt 30 Prozent der Intensivbetten sperren

Informationen

Aktionsbündnis Angeborene Herzfehler (ABAHF)
c/o Deutsche Herzstiftung e.V.

Pressestelle

Michael Wichert/Pierre König
Tel.: 069 955128-114/-140
E-Mail: presse@herzstiftung.de
Web: www.herzstiftung.de

(Frankfurt a. M., 3. Mai 2019) Jährlich kommt es in Deutschlands Kinderherzkliniken zu über 23.300 Klinikaufnahmen für die Behandlung von angeborenen Fehlbildungen des Herzens und der Gefäße. Gerade in der kinderkardiologischen und kinderherzchirurgischen Intensivpflege sind ein fundiertes Fachwissen und viel Erfahrung gefragt, um den hohen Ansprüchen an die Versorgung schwerstkranker Neugeborener, Kinder und Jugendlicher gerecht zu werden. Alarmiert vom derzeit grassierenden Pflegenotstand in der Kinderintensivpflege wendet sich die Deutsche Herzstiftung (www.herzstiftung.de) und mit ihr fünf weitere bundesweit tätige Patientenorganisationen auf dem Gebiet der angeborenen Herzfehler mit einem Appell an die Bundesregierung: „Als Vertreter der Interessen von Eltern herzkranker Kinder und Menschen mit angeborenem Herzfehler sehen wir den Zustand im Bereich der Intensivpflege auf kinderkardiologischen und kinderherzchirurgischen Intensivstationen als dramatisch und höchst besorgniserregend. Wir appellieren deshalb an die Bundesregierung, sich der Thematik  Pflegenotstand anzunehmen und die Versorgung intensivpflegebedürftiger Kinder schnellstmöglich zu normalisieren“, betont Kai Rüenbrink, Sprecher des Aktionsbündnisses für Angeborene Herzfehler (ABAHF).

Kinderkardiologe: „Wir möchten kein Kind mit kritischem Herzfehler abweisen“

Von mehreren Kinderherzzentren in Deutschland wird berichtet, dass im Schnitt 30 Prozent der Betten wegen Pflegekräftemangels gesperrt sind. Grund für den Pflegekräftemangel sind insbesondere die Reduzierung von Ausbildungsplätzen in der Kinderkrankenpflege und eine unzureichende Personalplanung. „Angesichts zahlreicher nicht besetzter Planstellen bleibt den Kliniken oft nichts anders übrig, als Intensivbetten unbelegt zu lassen. Kommen dann noch Notfälle hinzu, müssen lange geplante Operationen verschoben werden. Für das Kind und die Eltern, die sich vom Arbeitgeber eigens haben beurlauben lassen, ist das eine Katastrophe“, so ABAHF-Sprecher Rüenbrink. Der Kinderherzspezialist Prof. Dr. med. Hans Heiner Kramer, Direktor der Klinik für angeborene Herzfehler und Kinderkardiologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, kann die geschilderten Folgen des Pflegekräftemangels in Kinderkliniken aus eigenen Umfragen in mehreren Kinderherzzentren nur bestätigen. Er erlebt den Pflegenotstand in der Intensivstation als tägliche Gratwanderung: „Es ist schwer, mit dieser Situation umzugehen, denn wir möchten kein Kind abweisen, das mit einem kritischen Herzfehler zu uns kommen soll. Diese Patienten liegen oft lange Zeit auf der Intensivstation“, berichtet der Kinderkardiologie im Gespräch mit der Kinderherzstiftung der Deutschen Herzstiftung. Das Kieler Kinderherzzentrum reagiert auf den Pflegenotstand durch Einrichtung der sogenannten Intermediate-Care-Station, eine hochleistungsfähige Zwischenstation, die es ermöglicht, Patienten frühzeitiger auf eine Normalstation verlegen zu können. Nur so lassen sich zumindest die verbleibenden sieben von zehn Intensivbetten belegen.

Entscheidender Hebel liegt in verbesserter Ausbildung und Arbeitsbedingungen

Um dem drastischen Pflegenotstand auf den Kinderkardiologischen Intensivstationen auch über verbesserte Ausbildung und Arbeitsbedingungen anzugehen, hat sich im Sommer 2018 eine „Task Force Notfall Kinderintensivpflege“ formiert, der auch Mitglieder des ABAHF angehören. Folgende Forderungen richtete die Task Force an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn:

  1. Erhalt und Erweiterung von Kinderkrankenpflegeschulen sowie besondere Anreize für Schulen, die die Zahl ihrer Schüler aufstocken
  2. Wiedergewinnung qualifizierter Pflegekräfte durch bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf
  3. Finanzierung von strukturierten Austauschmöglichkeiten (zum Beispiel Fallbesprechungen, Supervision, Kriseninterventionsprogramme)
  4. Verbindlicher Mindestpersonalschlüssel für die Kinderintensivpflege, bis hin zu einem 1-zu-1-Schlüssel bei besonders pflegeintensiven Konstellationen

„Die Pflege auf einer kinderkardiologischen Intensivstation ist ein sehr anspruchsvoller Job. Beim Erkennen von Kreislaufproblemen, Verschlechterungen des Zustands oder Zusammenbrüchen der meist sehr jungen Patienten müssen die Pfleger und Schwestern auf einem hohen intellektuellen Niveau arbeiten“, erläutert Klinikdirektor Kramer. „Wir Ärzte müssen uns auf ihr Wissen und Können verlassen können. Deswegen brauchen wir in der Kinderkardiologie und in der Kinderherzchirurgie eine ausreichende Anzahl von Kinderkrankenpflegekräften, die eine Intensivweiterbildung durchlaufen haben. Das legt auch die Strukturrichtlinie Kinderherzchirurgie fest.

Für Kinderintensivstationen sind zwei Patienten pro Pflegekraft die Obergrenze

Laut Kramer schlägt die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) schon seit Jahren einen Personalschlüssel von 2:1, also 2 Patienten pro Pflegekraft, vor. Kritisch sieht er deshalb die Personaluntergrenzen, die seit Jahresbeginn für den Intensivbereich gelten, von 2,5 Patienten pro Pfleger tagsüber und 3,5 pro Pfleger nachts. „Die Kinderkardiologien an Unikliniken betreiben nun mal eine High-End-Medizin. Ist ein Kind frisch operiert, braucht es auch nachts umfangreiche Betreuung. Selbst für die beste Pflegekraft wäre es nicht zu schaffen, nachts 3,5 Kinder zu versorgen.“ Der Bundesgesundheitsminister ist jetzt geordert, den Personalschlüssel von 2:1 einzuführen – also im Sinne einer medizinisch vertretbaren Personalausstattung auf Kinderintensivstationen.

Tipp: Ein Schwerpunktheft zum Pflegefachkräftemangel und zur aktuellen Situation der Kinderintensivpflege in Kinderherzzentren mit Hintergrundberichten und einem Interview von Christina Süßel bietet die kommende Ausgabe von herzblatt – Magazin für Menschen mit angeborenem Herzfehler. Vorbestellungen für das kostenfreie Heft (Lieferzeitpunkt Mitte Juni) können unter E-Mail bestellung@herzstiftung.de oder per Tel. unter 069 955128-400 (Stichwort: herzblatt 2/2019) vorgenommen werden.

Das Aktionsbündnis Angeborene Herzfehler (ABAHF)

Um in der Öffentlichkeit mit einer Stimme für eine bessere Versorgung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern und deren Familien einzutreten und ihnen noch effektiver zu helfen, haben sich 2014 auf Initiative der Deutschen Herzstiftung e. V. sechs bundesweit tätige Patientenorganisationen zum „Aktionsbündnis Angeborene Herzfehler“ (ABAHF) zusammengeschlossen. Die Organisationen sind: Bundesverband Herzkranke Kinder e.V., Bundesvereinigung Jemah e.V., Fontanherzen e.V., Herzkind e.V., Interessengemeinschaft Das Herzkranke Kind e.V. und die Kinderherzstiftung der Deutschen Herzstiftung e.V.

Etwa 8.500 Neugeborene mit angeborenem Herzfehler kommen in Deutschland jährlich zur Welt. Heute erreichen rund 90 % dieser Kinder dank der Fortschritte der Kinderherzchirurgie und Kinderkardiologie das Erwachsenenalter. Die Zahl der Erwachsenen mit angeborenem Herzfehler (EMAH) wird auf 300.000 geschätzt.